Grabsteine erzählen Geschichten

Wer sich auf dem Gertrudenkirchhof die vor der nordöstlichen Einfriedungsmauer in der Nähe des Mausoleums aufgestellten Grabsteine näher anschaut, erfährt Interessantes über die Menschen, für die die Steine gedacht waren, aber auch über die jeweilige Zeit. Es ist fast wie ein Spaziergang durch die Jahrhunderte: „Die ältesten Steine stammen aus dem 17. Jahrhundert, dann geht es bis in die 1950er Jahre“, erklärt Achim Knöfel vom Fachbereich Denkmalschutz der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg.

Familienporträts „in Stein gemeißelt“


Die Grabsteine wurden vorher mehr zufällig abgestellt in einer Ecke des Friedhofs gesammelt, weil sie aus Platzgründen weichen mussten und anderweitig nicht untergebracht werden konnten. Nun bilden sie ein sogenanntes Lapidarium. Nach der Zeit ihrer Entstehung angeordnet, können sie in chronologischer Reihenfolge betrachtet werden. Dabei veranschaulichen die historischen Steine die Entwicklung der Grabmonumente über rund 350 Jahre.

„Manche Steine sind original erhalten, andere wurden im Laufe der Zeit umgearbeitet und neu verwendet“, weiß Achim Knöfel. „So gab es zum Beispiel im 17. Jahrhundert die Sitte, auf einem Grabstein für eine Familie die Eheleute mit sämtlichen Kindern als Relief quasi in Stein zu meißeln. Ein nachträglich über dem Kopf eingeschlagenes Kreuz zeigte dann an, dass die Person verstorben und nun bestattet war. Folgende Generationen meißelten die Figuren jedoch teils wieder weg, um die Steine nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und zu beschriften.“

Vor dem Versinken gerettet

„Wenn ich heute über den Gertrudenkirchhof gehe, sehe ich häufig Menschen, die sich insbesondere die Ecke beim Lapidarium genauer angucken“, erzählt Martin Frebel, Vorsitzender des Friedhofausschusses der Kirchengemeinde Oldenburg. Rund um die sogenannte Herzogliche Abteilung des Gertrudenkirchhofs, also in der Nähe des 1786 im Stil des Klassizismus erbauten Mausoleums, hat sich in den letzten Jahren ganz allgemein viel getan. „Grabsteine waren völlig zugewuchert und kaum mehr zu erkennen, das hat sich geändert“, so Frebel. „Man kann jetzt die Sockel der Steine sowie Verzierungen erkennen, die früher schon halb in der Erde versunken waren.“

„Dank zahlreicher Spender konnten umfangreiche Arbeiten stattfinden“, bestätigt Achim Knöfel. „Inzwischen sieht es in der Herzoglichen Abteilung etwa wieder so aus, wie es sich Herzog Peter Friedrich Ludwig damals beim Anlegen des Mausoleums gedacht hat“, erklärt Knöfel über die Restaurierung und Wiederherstellung des historischen Gräberfeldes, an deren Finanzierung neben der Kirchbaustiftung unter anderem die Oldenburgische Landschaft, das Land Niedersachsen, die Niedersächsische Bingo-Umweltstiftung, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und die Kirchengemeinde Oldenburg beteiligt waren.

„Es kommen immer öfter Anfragen zu Führungen speziell in diesem Teil des Gertrudenkirchhofs“, hat Martin Frebel festgestellt. „Da besteht also von unseren Besuchern ein großes Interesse. Dass wir die alten Grabsteine erhalten wollen, war immer klar. Aber dass sie nun so schön gezeigt werden, vor dem weiteren Verfall bewahrt worden sind und Besucher anziehen, freut uns als Kirchengemeinde sehr.“

Von den 13.000 Euro, die für das Lapidarium aufgewendet wurden, konnten durch die Kirchbaustiftung 10.000 Euro finanziert werden.